Meine Kernthemen
Mit welchen Lebensbereichen beschäftigte ich mich in meinem Amt? Natürlich mit allen! Denn Inklusion betrifft alle Bereiche unserer Gesellschaft. Doch einige Bereiche möchte ich dennoch speziell in den Blickpunkt rücken, weil ich hier besonderen Nachholbedarf sehe: Schule, Arbeit, Wohnen und politische Teilhabe.
Schule: Türen öffnen, Strukturen verändern
In Bayern können Eltern grundsätzlich entscheiden, ob Kinder mit Behinderung eine Förderschule oder eine Regelschule besuchen. Schülerinnen und Schüler müssen die Chance haben, sich nach ihren Wünschen und Möglichkeiten zu entfalten. Dafür brauchen wir durchlässige Bildungssysteme. Das bedeutet zum Beispiel, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung problemlos von der Förderschule auf die Regelschule oder von der Grundschule auf weiterführende Schulen wechseln können. Denn: Dass diese Übergänge gut gelingen, ist wesentlich für eine erfolgreiche Schullaufbahn.
Auch die Strukturen an den Schulen müssen noch stärker angepasst werden. Inklusives Lernen braucht zum Beispiel kleinere Klassen, neue – auch digitale – Lern- und Lehrformen und passgenaue, schlankere Lehrpläne. Von inklusiven Schulen profitieren alle Kinder, mit und ohne Behinderung. Gelingen kann Inklusion im Unterricht aber nur, wenn alle Beteiligten sie als selbstverständlich annehmen und leben. Deshalb muss die Inklusion im Lehramtsstudium für ALLE Schularten fest verankert werden.
Gelingen kann Inklusion im Unterricht nur, wenn alle Beteiligten sie als selbstverständlich annehmen und leben.
Top-Thema Schulbegleitung
Ein Thema, das viele Familien und Schulen bewegt, ist die Schulbegleitung, eine Form der persönlichen Assistenz für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung. Wie werden Schulbegleiterinnen und Schulbegleiter finanziert? Wie werden sie in den Unterricht und den Klassenverband einbezogen? Wie weit reichen ihre Befugnisse? Fragen wie diese müssen eindeutig geklärt werden; oberstes Ziel muss dabei immer das Wohl der Kinder sein.
Arbeit: flexiblere Übergänge gestalten
Arbeit ist ein Menschenrecht. Menschen mit Behinderung sollen und wollen genauso wie alle anderen arbeiten: um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, um ihr Wissen und Können einzubringen, um an einem zentralen Bereich des Lebens und des Miteinanders teilzuhaben. Damit Menschen mit Behinderung eine Chance auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben, müssen zwei Schnittstellen flexibler gestaltet werden: der Übergang
- von der Schule ins Erwerbsleben und
- zwischen Werkstätte und allgemeinem Arbeitsmarkt.
Menschen mit Behinderung, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könnten, müssen bei Bedarf die nötige, passgenaue Unterstützung erhalten. Eine wichtige Rolle könnte dabei das Budget für Arbeit spielen. Doch bislang wird diese Leistung leider kaum in Anspruch genommen. Gemeinsam mit den verantwortlichen Stellen habe ich ein Papier entwickelt, in dem Träger, Einrichtungen, Beratungsstellen, Arbeitgeber und natürlich Menschen mit Behinderung alle wichtigen Infos über das Budget für Arbeit finden.
Kurz erklärt
Das Budget für Arbeit
… erleichtert es Menschen mit Behinderung, eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden. Im Rahmen der Eingliederungshilfe können Betriebe (> Lohnkostenzuschuss) und Beschäftigte (> Assistenz) gefördert werden.
Wohnen: mehr Miteinander möglich machen
Im Bereich Wohnen bedeutet Inklusion: Menschen mit und ohne Behinderung leben Tür an Tür. Sie begegnen einander im Aufzug, am Briefkasten, auf dem Weg zur Arbeit und beim Nachbarschaftsgrillfest im Hof. Dieses ganz alltägliche Miteinander baut ohne großen Aufwand Berührungsängste und Vorurteile ab.
Doch viele Menschen mit Behinderung wohnen in sogenannten Komplexeinrichtungen, in denen sie auch arbeiten und betreut werden. Diese Einrichtungen liegen oft am Stadtrand oder außerhalb und sind nur wenig ins soziale Umfeld eingebunden. Die UN-Behindertenrechtskonvention und das Bundesteilhabegesetz haben dazu beigetragen, dass Wohnen für Menschen mit Behinderung heute oft anders gedacht wird: In Bayern entstehen immer mehr dezentrale inklusive Wohnprojekte. Hier wohnen Menschen mit und ohne Behinderung ganz selbstverständlich zusammen. Wir brauchen noch viel mehr solche Projekte und auch deutlich mehr individuelle Wohnangebote, die den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen mit Behinderung entsprechen!
Kurz erklärt
Konversion von Komplexeinrichtungen
… bedeutet: Große Einrichtungen mit Wohn-, Arbeits- und Betreuungsangeboten für Menschen mit Behinderung wandeln sich in dezentrale inklusive Wohnprojekte um.
Die Bayerische Staatsregierung stellt für die Konversion Gelder bereit. Der Umwandlungsprozess ist auf mindestens 20 Jahre angelegt. Hier ist eine Beschleunigung wichtig, um Menschen mit Behinderung schneller zeitgemäße Wohnformen anbieten zu können. Noch gar keine Fördermöglichkeiten gibt es im Bereich der Einrichtungen für Menschen mit psychischer Behinderung.
Politische Teilhabe: einfachen Zugang schaffen
Politische Teilhabe bedeutet: Ein Mensch gestaltet aktiv die Politik mit. Zum Beispiel als Mitglied einer Partei, Gewerkschaft oder Bürgerinitiative. Durch die Teilnahme an einem Volksbegehren oder einem Streik. Oder ganz einfach: indem er wählen geht.
Damit Menschen mit Behinderung ihr Wahlrecht angemessen wahrnehmen können, habe ich mehrere Projekte auf den Weg gebracht. Auf meine Anregung hat das Bayerische Innenministerium zur Kommunalwahl 2020 erstmals ein Erklärvideo in Gebärdensprache herausgegeben. Gemeinsam mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit biete ich zu jeder Wahl ein Wahl-Hilfe-Heft in Leichter Sprache an. Um die Barrierefreiheit der Wahlen zu verbessern, habe ich eine Arbeitsgruppe einberufen. Gemeinsam haben wir unter anderem einen Flyer mit Infos und Tipps für die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer entwickelt – von der barrierefreien Gestaltung der Wahllokale bis zur Unterstützung von Wahlberechtigten mit Behinderung. Eines der Ziele für die Zukunft sind barrierefreie Stimmzettel für die Landtagswahl 2023.